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  leseprobe »mords-sachsen 4«

Vogelfrau

…„Hallo!“ Helene winkte. Die Alte schlurfte drei Schritte näher. „Möchten Sie sich ein bisschen zu uns setzen?“
„Hm. Ich wollt mich sowieso ein wenig ausruhn.“ Der Kinderwagen wurde neben der Bank geparkt. Die Vogelfrau ließ sich mit einem Ächzen neben Helene fallen. Sie roch nach Schweiß und ranzigem Fett. Helene konnte hören, wie Frank geräuschvoll einatmete, ignorierte es jedoch. Eine Krähe hüpfte heran und hielt den Kopf schief. Ihre schwarzen Knopfaugen glänzten. Die Alte zog ihr Gefährt noch etwas dichter an die Bank und begann, in einem der Beutel zu wühlen. Es dauerte eine Weile, dann kam ihre Hand mit einer Schachtel Pralinen wieder zum Vorschein.
„Bitteschön! Machn Sie die mal auf!“ Sie streckte Helene die Packung hin. „Hab ich gestern erst gekauft!“
Helene betrachtete die Abbildung. Gefüllt mit feinen Likören! stand unter der Parade der stachligen Schokoladenigel.
„Das is für Sie. Weil Sie immer so viel arbeitn müssn!“ Ein scheues Lächeln. Die Schachtel war noch in der Klarsichthülle. Drei Tauben flatterten herbei und ließen sich nur wenige Zentimeter vom Kinderwagen entfernt nieder. Frank hatte sein angebissenes Brot beiseite gelegt und schaute mit hungrigem Gesichtsausdruck auf das Konfekt. Helene griff nach der Packung. „Sie sind heute später dran als sonst.“
„Ich war bei den Bisamratten am kleinen Schwanenteich.“
„Haben Sie die etwa auch gefüttert?“
„Heute nicht. Ich habe nur geschaut, wie es ihnen geht.“ Ein Entenpärchen watschelte über die Böschung nach oben und die Alte zwinkerte ihnen zu. „Ihr seid gleich dran, meine Schätzchen. Zuerst essen wir Menschen ein paar leckere Pralinen.“
Helene nickte und schob einen Fingernagel unter die Folie. Der Deckel klappte nach oben. Die Vogelfrau murmelte etwas, das wie „Guddn Abbedihd“ klang. Frank ließ den Zeigefinger über den Stacheligeln kreisen und griff dann zu. Während Helene das Konfekt am Gaumen zerdrückte und den süß-bitteren Likörgeschmack auskostete, sah sie aus den Augenwinkeln, wie von einer Fichte neben ihrer Bank ein braunes Eichhörnchen hopste. Die Nase des possierlichen Tierchens zuckte leicht. „Schaut mal da.“ Sie flüsterte, um das pelzige Wesen nicht zu verscheuchen und dachte dabei daran, wie sie erst letzte Woche auf der gegenüberliegenden Seite des Teiches, direkt neben der Pferdekoppel ein totes Eichhörnchen – auch noch eins von den seltenen roten – unter einem Baum gefunden hatten – vor sich noch ein paar Haselnüsse, die ein wohlmeinender Spaziergänger ihm hingestreut hatte. Woran es wohl gestorben sein mochte?

 
 
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