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  leseprobe »leichenstarre«

„Hallo mein Herzblatt. Wie wäre es mit einem entspannenden Bad?“ Er bemühte sich um einen verführerischen Tonfall.
Sie würdigte ihn keiner Antwort. Lag genauso da, wie er sie vor fünfzehn Minuten verlassen hatte, anmutig hingestreckt auf dem goldbraun glänzenden Parkett.
„Dann eben nicht“, brubbelte er. Sollte das raffinierte Ding doch mit ihm schmollen. Sie würde jetzt baden, freiwillig oder nicht. Zuerst aber musste jeder Handgriff gründlich durchdacht werden, um keine Fehler zu begehen. Er setzte sich neben sie auf den kühlen Boden.
Ihre Kleidung.
Leider war der Slip ein bisschen zerrissen. Der kurze Rock und das durchsichtige Blüschen waren dagegen noch intakt. Man könnte sie in den Kleidercontainer werfen. Andererseits – was, wenn in der Vermisstenanzeige gezielt darauf hingewiesen würde? Es war sicherer, alles zu verbrennen. Die Schuhe gleich mit. Und das, was er selber jetzt trug. Man konnte nie wissen.
Die ganzen Sachen in einen festen blauen Müllsack und diesen dann zur Tarnung in einen neutralen Einkaufsbeutel, damit es beim Transport zum Auto unauffällig wirkte.
Später alle Räume gründlich absaugen. Auch das Bett. Den Beutel aus dem Staubsauger gleich mit zu den Klamotten. Konnte man alles zusammen verbrennen. Danach auch die Asche entsorgen.
Und bloß keine sentimentalen Andenken. Nichts, was man bei einer Durchsuchung finden konnte.
Die Erinnerung war völlig ausreichend. Es würde bestimmt keine Durchsuchung geben, aber sicher war sicher. Er musste sich sowieso noch überlegen, wie er die ganze Ladung ungesehen aus dem Haus in sein Auto schaffen konnte.
Das hatte jedoch Zeit. Nicht den zweiten Schritt vor dem ersten.

„Das klingt gut. Guter Plan, oder was meinst du, Baby?“ Sein Baby antwortete nicht. Sie hatte wirklich einen tiefen, tiefen Schlaf. Den Schlaf der Gerechten. Er musterte sie liebevoll.
Die widerliche Fliege, die vorhin unentwegt gegen die Scheibe gebrummt war, hatte es sich im rechten Auge der Prinzessin gemütlich gemacht und spazierte gemächlich, sich ab und zu die Hände reibend, über das helle Blau der Iris. Woher wussten diese Viecher eigentlich, dass jemand nicht nur schlief?
„Wenn du sie nicht wegscheuchst, wird die böse, böse Fliege Eier auf dir ablegen. Ich möchte, dass du das weißt. Hast du mich gehört?“
Baby tat, als höre sie nichts. Die Fliege verschwand im rechten Nasenloch.
„So Schatz. Jetzt kriecht sie in dein Gehirn und liest deine Gedanken. Das hast du nun davon.“
Die Schmeißfliege kam wieder hervor. Er beugte sich nach vorn und sprach den Brummer direkt an.
„Kein Gehirn gefunden?“ Das grünschwarz schillernde Insekt erschrak und summte davon. Die Fliege hatte Zeit. Sie konnte warten.

„Genug gebummelt.“ Er krabbelte hinter sie und kniete sich hin. „Nun aber schnell, sonst läuft die Wanne noch über. Und das wollen wir doch nicht, oder?“ Er zwinkerte ihr zu. Sie schmollte noch immer. Wollte sich partout nicht erheben und ins Bad gehen, das unartige Ding. Diese Teenager waren manchmal wirklich zickig!
„Dann eben nicht, Püppchen. Wenn du nicht allein laufen willst, dann trage ich dich.“ Er neigte den Oberkörper nach vorn und packte sie unter den Armen. Ihre glatten Achselhöhlen fühlten sich noch warm an. Es war ihm bewusst, dass sie sich extra schwer machen würde, obwohl sie ein Federgewicht war. Wie ein Rettungsschwimmer einen Ertrinkenden umklammerte er ihre Oberarme, zog den schlaffen Körper auf seine Oberschenkel und stemmte sich hoch. Ihr Kopf rollte zur Seite. Die hellblonden Haare rutschten über seinen Unterarm und kitzelten.
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du wiegst das Doppelte, Schatz.“
Schritt für Schritt schleifte er sie in Richtung Tür. „Aber ich kenne dich, du raffiniertes kleines Ding. Ich kenne dich nur zu gut. Du machst mir nichts vor.“ Sein Rücken stieß an die Tür des Arbeitszimmers. „Zappel nicht so. Das wird dir nichts nützen. Ab in die Wanne!“
Er musste über sich selbst lachen. Unterhaltung mit einer Leiche! Was für eine Scharade!

Das schaumige Wasser hatte den oberen Rand fast erreicht. Ächzend ließ er die schlaffe Gliederpuppe auf den Frotteeläufer gleiten, drehte den Hahn ab und öffnete den Stöpsel, um etwas davon wieder abzulassen. Es würde schwierig werden, sie in die Wanne zu bugsieren.
„So Schätzchen. Jetzt ziehen wir dich schön aus. Und dann wirst du baden.“ Er machte sich keine Sorgen, dass ihn jemand hören konnte. Das Haus war alt und hatte dicke Mauern.
Die kleinen Perlmuttknöpfe ihrer Bluse widersetzten sich seinen feuchten Fingern. Es gab ein ratschendes Geräusch, als er das feine Gewebe kurzerhand zerriss. Sie würde die Sachen nach dem Bad nicht wieder anziehen, also mussten sie auch nicht mit Vorsicht behandelt werden.
„Bleib schön hier liegen, mein Engel. Ich hole schnell ein paar Plastiktüten aus der Küche. Bin gleich wieder zurück.“
Mit einer Rolle schwarzer Müllsäcke kehrte er zurück und hockte sich seitlich neben sie.
Es war sicher passender, von ihr als unbelebtem Gegenstand zu denken. So eine Art große Puppe, mit der man anstellen konnte, was man wollte. Sein rechter Arm fuhr unter ihren kühlen Rücken und kam an der rechten Brust wieder zum Vorschein. Der linke schob sich unter ihre Kniekehlen. Dann erhob er sich vorsichtig.
Das Bild in dem mannshohen Spiegel an der Tür erinnerte ihn an einen Rettungsschwimmer, der eine Ertrinkende aus dem Meer auf seinen Armen trug und das ohnmächtige Mädchen nun behutsam an Land brachte. Die langbeinige Schönheit schmiegte sich an den durchtrainierten Körper.
Er korrigierte ihre Haltung, indem er dem herabhängenden Kopf mit der rechten Hand einen Stoß gab, so dass dieser in seine Schulterbeuge rollte. So sah es viel echter aus. Baywatch im Badezimmer. Nur, dass er besser aussah, als David Hasselhof, dieser aufgeblasene Bodybilder.
Noch ein Abschiednehmender Blick auf die perfekte Szenerie, bevor die Nixe in den duftenden Schaum gleiten würde. Aphrodite, die Schaumgeborene.

Leider war Aphrodite so schwach, dass sie den Kopf nicht über Wasser halten konnte.
„Das sieht aber gar nicht nett aus, Baby. Machst du Tauchspiele?“ Der Schaum fiel schon in sich zusammen und er schob die weißen Bläschen beiseite. Blicklos stierte sie zu ihm herauf. Aus dem linken Auge löste sich eine winzige Luftblase und stieg nach oben. Ihm gefiel das nicht. Es sollte so wirken, als bade sie. Mit dem Kopf über Wasser.
Vielleicht konnte man mit dem Gürtel des Bademantels ihren Kopf am oberen Wannenrand fixieren. Sie hatte sowieso schon Druckstellen am Hals. Auf einen roten Striemen mehr oder weniger kam es nicht an.
Er schlang den weichen Gurt um ihr Kinn, führte ihn hinter den Ohren entlang und verknotete ihn am Oberkopf. Die Enden befestigte er an den Stäben des Handtuchtrockners neben der Wanne. Schon besser.
„Na siehst du Schatz. Es geht doch, wenn man nur will.“ Das Gefühl, sie habe ihm zugeblinzelt verschwand sofort wieder. „Jetzt wirst du gewaschen. Damit du ganz sauber bist.“ Er zog kurz an dem Strick, damit sie ihm zunicken konnte und griff nach dem Waschlappen. Zuerst eine rituelle Ganzkörperwaschung mit ‘Aqua di parma’. Dann Wasserwechsel. Die nächste Waschung ohne Badezusatz. Zwischendurch abbrausen.
Und er durfte nicht vergessen, ganz am Ende, wenn sie hübsch verpackt war, den Traps abzuschrauben und zu säubern. Oder besser noch, gleich einen neuen zu kaufen. Danach würden reichlich Rohrreiniger und kochendes Wasser das ihre tun.

 
 
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