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Schlachtfest
Claudia Puhlfürst

... "Gestern hat sie wieder Sachen weggeschafft."
Gertrud reckte ihre Habichtsnase durch die Gummibaumblätter wie jeden Abend, seit sie mit ihrer Freundin im Dorfgasthof gegenüber essen gewesen war. Hermine und sie trafen sich jetzt jeden Nachmittag, tranken Kaffee und aßen Kuchen und warteten dann, beide an einem endlosen Schal strickend, bis die Nacht kam. Im Frühherbst wurde es schon zeitig dunkel. "Das war nun schon die vierte Fuhre Klamotten, die Silke entsorgt hat. Das eine sag ich dir –" Hermine leckte die Eierlikörschale aus und sprach dann mit bedeutungsvoller Stimme weiter "– warum bringt sie seine ganzen Sachen zur Kleiderspende? Das bedeutet doch, er braucht sie nicht mehr. Und das, liebe Gertrud, kann nur eins heißen – Jörg Bergmann wird nie wieder etwas zum Anziehen brauchen!" Sie schleuderte die letzten Worte triumphierend hervor und versprühte dabei ein bisschen Speichel. Mit einem Klacken schob sie dann ihr Gebiss mit der Zunge wieder nach oben.
"Was glaubst du, hat sie mit ihm gemacht?" Gertrud spürte, wie die feinen Härchen auf ihrem Unterarm sich aufrichteten.
"Ich denke, er liegt in der Kühltruhe, genau wie in dem Film. Fortgeschafft hat sie ihn noch nicht. Das hätten wir doch merken müssen."
"Du hast recht."
"Sie hat keinen Führerschein. Das hat sie mir irgendwann mal erzählt. Also muss sie die Leiche irgendwie hier verschwinden lassen."
"Zersägen?" Ehrfurchtsvoll flüsterte Gertrud das schreckliche Wort.
"Ich glaube nicht. Die haben auch gar keine Motorsäge. Aber loswerden muss sie ihn irgendwie. Und zwar schnell, und ohne, dass es jemandem auffällt. Keine Leiche- keine Anklage, ist doch klar!"
"Du bist brillant!"
"Und vor allem – ganz natürlich müsste das wirken." Hermine bewegte den Fingernagel über ihre Kopfhaut. Schuppen rieselten auf ihre Schultern. "Eine unauffällige Methode, einen Haufen totes Fleisch l o s z u w – e – r – –d – – e – – –n..." Sie sprach immer langsamer. Beide Frauen starrten hinüber zu der Schautafel. Das Wort ‘Schlachtfest’ war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, nichts von dem Geschriebenen war zu erkennen und doch schienen die Buchstaben im Dunklen zu glühen, als brannten sie innerlich. Gertrud trat einen Schritt zurück. Sie fror.
"Sie hat gesagt, sie glaubt nicht, dass ihr Mann zum Schlachtfest kommt." Die Sätze vibrierten im dämmrigen Zimmer. "Aber vielleicht ist er doch anwesend." Hermine schluckte mehrmals. Gertrud auch.

 
 
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